Preisträger und Finalisten
Comicbuchpreis 2019
Schon in seinen ersten drei Episoden hat „Manno!“ die Jury mit seinem Witz, der lebhaften Bildsprache und den wunderbaren Kurzberichten aus einem ganz normalen Kinderleben zwischen Euphorie und Katastrophe begeistert. Die Geschichten sind – im geplanten Ablauf – lose verknüpft zur Memoire einer Kindheit, deren Fertigstellung als „All-Ages-Comic“ die schönsten Erwartungen weckt und dafür nun mit dem Comicbuchpreis der Leibinger Stiftung ausgezeichnet wird.
– Brigitte Helbling
Über die Preisträgerin
Anke Kuhl, 1970 in Frankfurt geboren, studierte dort Kunstpädagogik und anschließend Freie Bildende Kunst an der Universität Mainz sowie Visuelle Kommunikation in Offenbach, wo sie auch als Diplom Designerin abschloss. 1999 gründete sie mit Philip Waechter und Moni Port die Frankfurter Ateliergemeinschaft Labor. Sie arbeitet freiberuflich als Illustratorin und Autorin für verschiedene Verlage und lebt mit ihrer Familie in Frankfurt am Main.
Die Finalisten des Comicbuchpreises 2019 sind:
Jan Bachmann: „Der Berg der nackten Wahrheiten“
Jan Bachmann kann nicht von den Anarchisten lassen. In "Der Berg der nackten Wahrheiten" widmet er sich dem Monte Verità im Jahre 1900. Genauer: der Gemeinschaft von Aussteigern, die dort in der Nähe von Ascona einiges Aufsehen erregt. Mit expressivem Strich, der an den Franzosen Joann Sfar erinnert, zeichnet Bachmann zwar historische Ereignisse nach – allerdings weniger quellentreu als mit eigener Note sowie viel Witz in Wort und Grafik. All das macht Lust, diese Vorgeschichte zu Bachmanns Comic "Mühsam" fertiggestellt zu sehen.
– Barbara Buchholz
Julia Bernhard: „Wie gut, dass wir darüber geredet haben"
Julia Bernhard erzählt in kleinen Episoden von scheiternder Kommunikation, von den Zumutungen und Absurditäten gesellschaftlicher Konventionen. Ob Liebe, Familienplanung oder Karriere: Sie konfrontiert uns in beißenden Dialogen und pointierten inneren Monologen mit tradierten Erwartungshaltungen an junge Frauen. Die klar und reduziert gezeichneten Episoden verbindet Bernhard durch ein Schutz bietendes Sofamöbel, in das die weibliche Hauptfigur zum Ende hin hineinkriecht, um dieser Welt, die alles andere als die beste aller Welten zu sein scheint, endgültig zu entfliehen.
– Stefanie Stegmann
Sascha Dreier: „Der Papierene“
Der Papierene, so hieß der Spitzname der österreichischen Fußballlegende Matthias Sindelar. Der Comic erzählt nun seine Geschichte, stilistisch der Epoche - die Dreißigerjahre des 20. Jahrhunderts in Wien - stimmig angepasst. Die sorgfältige und umfangreiche Recherche wie auch der Einbezug, über die Person hinaus, der damaligen politischen und gesellschaftlichen Umstände macht diesen Comic zu einer spannenden und informativen Lektüre.
– David Basler
Oliver Grajewski: „Ein Jahr im Moor“
Oliver Grajewskis "Moor"-Trilogie verspricht ein außerordentliches Comic-Erzählexperiment. Im nun bevorstehenden Mittelstück, „Ein Jahr im Moor“, setzt er die Erkundung seines Alter Egos in Schleswig-Holstein, der Kindheitsregion des Ich-Erzählers, fort, und abermals treffen autobiographische, essayistische und phantastische Elemente aufeinander. Sie eröffnen einen Stimmungsraum, der in der dichten, schwarzweißen Seitenarchitektur eine der Tiefe der Selbsterkundung entsprechende graphische Darstellung findet.
– Andreas Platthaus
Jakob Hinrichs: „Die Landschaft“
Von der angekündigten, "verschachtelten" Erzählstruktur über die Figuren-Palette und bis hin zu der Art, wie sich Text in Bild und Bild in Bild verschränken: Jakob Hinrichs will mit seinem Comicbuch etwas wagen. Was bisher von "Die Landschaft" vorliegt, macht enorm neugierig auf mehr.
– Brigitte Helbling
Lukas Jüliger: „unfollow“
Lukas Jüliger nimmt in seinem Comic "unfollow" ein höchst aktuelles Thema auf: die Inszenierung eines jungen Soziale-Medien-Aktivisten, der durch seine Ökologie-App zum weltweit wirksamen Influencer wird – und zu einer Art Guru. Der Zwiespalt von gesellschaftlichem Engagement und privater Sensibilität und die daraus resultierende Entzauberung werden aus der Sicht mehrerer seiner Anhänger erzählt, und das in Bildern, die in Farb- und Formgebung ein graphisches Eigenleben entwickeln, die sie als geradezu organische Gebilde erscheinen lassen.
– Andreas Platthaus
Ansgar Reul: „Für Dich ließe ich Wälder wachsen“
Ansgar Reuls Arbeit überzeugt durch seine berückend schönen, nahezu schwebend gehaltenen Bildwelten, in denen ein doppelter Verlust angedeutet wird: der Verlust eines geliebten Menschen, begleitet von einem zunehmenden sich-selbst-Verlieren. In Suchbewegungen, surrealen Begegnungen und Erinnerungen, gezeichnet mit zartem Strich, fügt er in warmen Farbtönen Figuren, Motive, Strukturen zu ganz eigenen Bildkompositionen, ergänzt nur um einzelne wenige Sätze.
– Stefanie Stegmann
Patrick Spät (Manuskript) und Bea Davies (Illustration): „Gregor Gog – Der Vagabundenkönig"
Der Band "Gregor Gog – Der Vagabundenkönig" führt uns in ein Kapitel der Weimarer Republik, das wenig beleuchtet ist: die organisierte Bewegung der Vagabunden. Im Mittelpunkt steht die historische Figur Gregor Gog, Gründer u.a. der "Bruderschaft der Vagabunden", in dessen alltäglichen Lebenskampf wir getaucht werden. Der virtuose Übermut, der das Skript von Patrick Spät kennzeichnet, findet in den schwarz-weißen Tuschezeichnungen von Bea Davies eine lebendige Entsprechung.
– Florian Höllerer
Franz Suess: “Schlieren“
Suess erzählt in drei "Kurzgeschichten" über die Einsamkeit und Liebesversuche von drei unglücklichen Einzelgängern. Trotz ihrer Kürze bündeln die Episoden die Fatalität dreier Schicksale: obsessiv, ehrlich, und ohne jede Gefälligkeit, dabei durchaus mit Humor. Die Ästhetik ist einfach und scheinbar unambitioniert: Bleistift auf weißem Papier, die (treffenden, dichten) Dialoge nicht gelettert, sondern getippt. Dennoch entfalten alle drei Geschichten eine große Kraft und Unmittelbarkeit, denn sie sind radikal, präzise und frappierend pointiert.
– Petra Mosbach