Preisträger und Finalisten
Comicbuchpreis 2016
Oesterle, 1966 in Karlsruhe geboren und heute mit Frau und zwei Kindern in München lebend, hat seine Bewerbungsarbeit als fiktive Biografie seines Vaters und als eine Geschichte über Wiedergutmachung verfasst.
Über den Preisträger
Oesterle, 1966 in Karlsruhe geboren und heute mit Frau und zwei Kindern in München lebend, hat seine Bewerbungsarbeit als fiktive Biografie seines Vaters und als eine Geschichte über Wiedergutmachung verfasst. Sein Vater verließ die Familie in den 1970er Jahren, als Oesterle sieben Jahre alt war. Während der dreißig-jährigen Abwesenheit seines Vaters gab es viele Spekulationen über dessen Verbleib. Erst nach seinem Tod erfuhr der Künstler von der schweren Krankheit seines Vaters, dem Korsakow-Syndrom, das vor allem langjährige Alkoholiker trifft. Die großen Lücken in der Vita des Vaters füllte Oesterle mit erfundenen Ereignissen, dazu recherchierte er im Obdachlosenmilieu Münchens. Vatermilch wird wahrscheinlich in zwei Bänden 2018 und 2019 erscheinen.
„"Vatermilch" erzählt von Vätern, die verschwinden und von Söhnen, die zu unzuverlässigen Vätern werden, zeigt Lebenswege, die ins Dunkle führen, und andere, die einen unerwarteten Neuanfang erlauben. Das Thema ist schwer und universell, Uli Oesterle geht es vielschichtig, sehr persönlich und mit einer erfrischenden Leichtigkeit in der Bilderzählung an. Die Geschichte spielt in München und zielt auf Weltformat, die eingereichten Materialien zeigen das Projekt an einem Punkt, wo eine Fertigstellung greifbar wird. Die Jury vergibt den Comicbuchpreis 2016 in großem Zutrauen an ein Unterfangen, das unsere Neugier gerade auch in seinem stilistisch/narrativen Aufbruchswillen geweckt hat.“
Die Finalisten des Comicbuchpreises 2016 sind:
Max Baitinger. „Röhner“
"Max Baitingers Comic-Kammerspiel hat uns in seiner Strenge und Konsequenz überzeugt: Beschränkt auf ein schmales Drei-Personen-Setting, in reduziertem und klarem Zeichenstil, mit knappen Texten, ungeheurem Witz und in origineller Bildsprache erzählt er von „Röhner“. Dieser bricht einem Eindringling gleich in die ausbalancierte Alltagsstruktur und Privatsphäre eines neurotischen Mannes und seiner Nachbarin ein und wird zur psychotischen Zumutung."
– Dr. Stefanie Stegmann
Nele Bunjes. „Nepenthes“
"„Nepenthes“ lautet der Titel des Comicbuchs von Neele Bunjes. Nepenthes, das sind eigentlich fleischfressende Pflanzen. Als Geschenk der Mutter sollen sie Farbe in das Leben der Protagonistin bringen, die eine öde Tätigkeit in einem Großunternehmen ausführt. Inmitten der Firma, umgeben von einer Metropole, erschafft sie sich deshalb eine Waldlichtung als Gegenwelt. Der Plot und die gekonnte zeichnerische Ausführung haben die Jury dazu bewogen, Neele Bunjes für die Liste des Comicbuchpreises zu nominieren."
- Professor Dr. Frank Druffner
Sheree Domingo: „Wie im Paradies“
"„Wie im Paradies“ ist ein Comic, wie er aktueller kaum denkbar ist. Die sozialen und ökonomischen Missstände, die weltweite Wanderungen in Gang setzen, aber auch die Folgen der Migration werden hier am Beispiel einer in Deutschland als Altenpflegerin arbeitenden Philippina, deren junger Tochter und einer greisen Heimbewohnerin illustriert. Die wechselseitigen Interessenkonflikte dieses Figurendreiecks werden durch eine bewusst offengehaltene Bildsprache unterstützt, die meisterlich mit Farben und Formen umzugehen weiß.
- Andreas Platthaus
Franziska Ruflair: „Ein Tag ohne Gestern“
"Ein Hund wird entführt, eine Schmonzetten-Schreiberin soll ihr Wesen ändern, eine Romanfigur wird zum Erpresser... die leise Exzentrik des Plots von "Ein Tag ohne Gestern" macht Freude. Die wenigen fertiggestellten Bildseiten zeigen einen souveränen Umgang mit Panelaufteilung und Bilderzählung, sprechen von einer Künstlerin, die ihr Handwerk glücksvoll beherrscht."
- Dr. Brigitte Helbling
Simon Schwartz: „IKON“
"Eine Doppelbiografie des 20. Jahrhunderts, die an Kuriosität ihresgleichen sucht. Er: Illustrator, Schriftsteller und Kirchengründer. Sie: die "falsche Anastasia", die angebliche jüngste Zarentochter. Gleb Botkin und Franziska Schanzkowska. Meisterhaft gezeichnet und intelligent erzählt von Simon Schwartz."
- Dr. Thomas von Steinaecker
James J. Turek: „Das Shangr-la Motel”
"„Das Shangri-la Motel“" steht ästhetisch in der Tradition des Funny-Animal-Comics und ist doch erzählerisch ganz gegenwärtig. Melancholie und Humor gehen eine enge Bindung ein, die durch die charakteristischen Tierfiguren auf subtile Weise noch verstärkt wird. Der Handlungsort in einem archetypischen Wüstengebiet des Wilden Westens wird zur Folie für die unterschiedlichsten Verirrungen - geografischer, religiöser und gesellschaftlicher Art. Die Vereinigten Staaten bekommen hier aus der Feder eines in Deutschland lebenden Amerikaners einen ebenso amüsanten wie brisanten Zerrspiegel vorgehalten."
- Andreas Platthaus
Burcu Türker: „Süsse Zitronen"
"„Süsse Zitronen“ erzählt die Beziehung zwischen Mutter und Tochter in zwei Handlungssträngen: Der Alltag der Tochter, in diesem Fall die Autorin selber, einerseits und andererseits Rückblicke in das Leben der Mutter, einer Schauspielerin. Diese liebevolle und eindrückliche Hommage an die kürzlich verstorbene Mutter überzeugt nicht nur inhaltlich, sondern auch formal. Durch das Weglassen der Linien um die Panels entsteht eine leichte, luftige Erzählweise, die gut mit dem schönen Strich und der Farbgebung der Autorin harmonisiert."
- David Basler
Nacha Vollenweider: „Fussnoten“
"Deutschland durch die Augen einer jungen Argentinierin. Eine Zugreise bietet den Rahmen für eine Serie virtuos choreographierter "Fußnoten", seien es persönliche Erinnerungen oder gesellschaftliche Beobachtungen. Deutsche und argentinische Wirklichkeiten überlagern sich - so wie die Grundrisspläne argentinischer Städte und das Muster der Sitzbezüge der Deutschen Bahn."
- Dr. Florian Höllerer
Florian Winter: „XES“
"„XES“ ist doppeldeutig: Phonetisch gelesen als das englische Wort "excess" (Exzess) oder dechiffriert als rückwärts buchstabierter "Sex" weist der Titel jeweils voraus auf die verdrehte Welt eines Mannes, der unter Sexsucht leidet. Der Comic ist eine geschickte Mischung aus fiktiver Geschichte und Ratgeber, weil das Schicksal des Protagonisten exemplarische Züge verliehen bekommt. Die cartoonartige Gestaltung erzeugt in Verbindung mit Rot als einziger Zusatzfarbe starke Effekte zur Akzentuierung des Geschehens."
- Andreas Platthaus