Preisträger und Finalisten

Comicbuchpreis 2015

weisses Rechteck
weisses Rechteck

Die Hamburger Autorin und Zeichnerin Birgit Weyhe wird mit dem Comicbuchpreis 2015 der Berthold Leibinger Stiftung ausgezeichnet. Mit ihrem Comic Madgermanes überzeugte sie die Jury des Comicbuchpreises, der zum ersten Mal vergeben wird.

Foto: Magnus Kersting

Über die Preisträgerin

„In Madgermanes erzählt Birgit Weyhe von den Erfahrungen mosambikanischer Vertragsarbeiter in der DDR der achtziger Jahre. Damit dreht sie die übliche Perspektive eines deutschen Blicks auf die Welt um und porträtiert zugleich einen Staat vor dessen Untergang“, begründet der Juryvorsitzende Andreas Platthaus das Votum. „Die durch Gespräche mit ihren drei Protagonisten recherchierten Fakten werden von Birgit Weyhe derart subtil mit Erinnerungsobjekten und allegorischen Motiven angereichert, dass ein Comic im Entstehen ist, der in seiner Bild- und Erzählsprache selbst die Grenzen zwischen afrikanischer und europäischer Kultur überschreitet.“

Der Comicbuchpreis der Berthold Leibinger Stiftung wird 2015 erstmals für einen hervorragenden, unveröffentlichten, deutschsprachigen Comic vergeben und wird in Zukunft jährlich in Stuttgart verliehen. Der Preis ist mit 15.000 EUR dotiert.

Die Finalisten des Comicbuchpreises 2015 sind:

Robert Deutsch: „Alan Turing“

In kunstvollen, die 1950er Jahre evozierenden Acrylbildern nähert sich der Illustrator Robert Deutsch der Biografie des britischen Mathematikers und Informatik-Pioniers Alan Turing. Eine ausgefeilte Seitenarchitektur vermittelt auf spielerisch anmutende und doch komplexe Weise die skurrilen Seiten von Turings Persönlichkeit ebenso wie die tragischen Aspekte seines Lebens als Homosexueller in einer Zeit, als dies in Großbritannien strafbar war.

- Lars von Toerne

Hamed Eshrat: „VENUSTRANSIT“

Dieser Comic erzählt eine banale Geschichte: der Protagonist Ben, ist unzufrieden mit seiner Berufssituation, am liebsten möchte er nur zeichnen. Dazu verlässt ihn im Lauf der Geschichte seine Freundin.

Doch wie Hamed Eshrat das erzählt, macht es aus. Mit virtuosem und treffendem Strich lässt er die Bilder tanzen, ohne dass diese zum Selbstzweck werden. Sie stehen vorbehaltlos im Dienste der Narration, so dass man den Comic nicht mehr aus der Hand geben will, bis man ihn zu Ende gelesen hat.

- David Basler

Anke Feuchtenberger: „Ein deutsches Tier im deutschen Wald“

Verheißungsvoll, unheimlich: Die Geschichten um Kerstin und Effe Erre scheinen aus dem Waldgestrüpp und den Tierwelten hervorzubrechen, die sich in den vorgelegten Seiten immer wieder in den Vordergrund drängen; Hier ist ein eindrucksvolles Werk im Entstehen.

- Brigitte Helbling

Jul Gordon: „Im Park“

Eine exzentrische, herrlich trashige Geschichte, eine feine und ungewöhnliche Art, sie in Bilder umzusetzen: Skizzen und Storyboard erzählen von einem Comic-Potential, dessen baldige Fertigstellung unbedingt herbeizuwünschen ist.

- Brigitte Helbling

Lea Maria Heinrich „Lucky Boy”

Die Leipziger Zeichnerin Lea Maria Heinrich hat mit "Lucky Boy" eine Gefängnisgeschichte vorgelegt, in der ausführlich mit Rückblenden gearbeitet wird. Ihre Kenntnisse des Justizvollzugs basieren auf Besuchen entsprechender Einrichtungen. Der Zeichenstil - klar und auf wenige Farbtöne beschränkt - ist ausgesprochen individuell und prägnant, die Seitenarchitektur abwechslungsreich und dennoch klar.

- Frank Druffner

Nienke Klöffer: „Ein tugendhafter Kopf“

„Nienke Klöffers Debüt ist erstaunlich, denn in "Ein tugendhafter Kopf" erzählt sie das letzte Jahr im Leben des französischen Revolutionärs Robespierre konsequent aus dessen Perspektive. Das heißt, wir als Leser betrachten die dramatischen Ereignisse mit Robespierres Augen, und nur wenn einmal ein Spiegel ins Bild kommt, sehen wir auch ihn selbst. Durch stets gleichgroße Panels trägt Nienke Klöffer zusätzlich dieser streng subjektiven Erzählweise Rechnung.“

- Andreas Platthaus

René Rogge: „Plus minus null“

René Rogge fängt in seiner Graphic Novel "Plus minus null" die Müdigkeit und Lethargie der gegenwärtigen Mittzwanzigergeneration ein. In klarer Formsprache thematisiert er die Verlorenheit einer Generation, die zwischen dem Verlust von Ideologien, dem Überangebot von Möglichkeiten und allseitiger familiärer Unterstützung und Förderung kaum einen Weg aus der Passivität findet. Die auf diese Weise thematisierte Strukturlosigkeit der Generation findet dabei ihr Gegenüber in einer zeichnerisch bestechend strengen und reduzierten Struktur.

- Stefanie Stegmann

Schwarwel: „Seelenfresser – Hoffnung“

„Hoffnung“ ist das dritte Buch der als Tetralogie angelegten Reihe „Seelenfresser“. Der Leipziger Comicautor und Trickfilmer Schwarwel führt uns tief in den deutschen Osten, tief in den Seelenkosmos von Trucker Hardy, seiner labilen Frau Nova, seiner Geliebten Babsi sowie den Pennbrüdern Psycho-Peter, Klausi und Panzermeyer. Anarchische Kraft trifft auf künstlerische Virtuosität - Comic in Hochform.

- Florian Höllerer

Ji Hyun Yu. „Candide oder der Optimismus“

"Voltaires 'Candide' ist einer der großen Klassiker der Weltliteratur. Leichtfüßig, witzig und zugleich voller philosophischer Abgründe. Es gehört schon viel Chuzpe dazu, sich so ein Werk für eine Comic-Adaption vorzunehmen. Ji Hyun Yu übertrifft dabei alle Erwartungen. Ein Comic, der vor innovativen Ideen nur so sprüht und doch etwas ist, was von großer Kunst zeugt und Voltaire voll gerecht wird: ein kurzweilig-tiefschürfendes Lesevergnügen."

- Thomas von Steinaecker